What you see is not what you get

Zu den Hinweisen, die Kinder und Jugendliche für den richtigen Umgang mit sozialen Medien erhalten, gehört auch immer wieder die Warnung davor, dass auch (potenzielle) Arbeitgeber sich ihre Profile angucken können. Und das könnte je nach Art der geposteten Inhalte dann durchaus negative Auswirkungen haben, wenn es zum Beispiel um die Bewerbung für eine Lehrstelle geht.

Das ist definitiv ein wichtiger Hinweis und auf jeden Fall sollten Kinder und Jugendliche dafür sensibilisiert werden, dass ihre Selbstdarstellung im Netz auch Folgen wie diese haben könnte. Allerdings sollte auch die andere Seite für die Besonderheiten dieser Art der Selbstdarstellung sensibilisiert werden.

Denn der Blick auf das Social-Media-Profil einer Person, die man nicht gut kennt, läuft immer auf eine Interpretation hinaus, mit der man auch gründlich danebenliegen kann. Und das gilt insbesondere für die Profile von jungen Menschen, die noch auf der Suche sind nach ihrer Identität, die noch lernen, wie man sich in der digitalen Welt bewegt, die sich und das Medium ausprobieren, die die Wirkung ihrer Selbstdarstellung austesten und auch ausreizen, die zwischen Abgrenzung und Anpassung hin und her springen und die manchmal auch einfach nur irgendeinen Quatsch mitmachen, um einen lustigen Post mit vielen Klicks zu kriegen. – Bloß weil sie an einer albernen Umfrage mit dem Titel „Welche Droge bist du?“ teilnehmen, heißt das noch lange nicht, dass sie auch Drogen nehmen oder nehmen wollen. Meistens heißt das nur, dass sie so wie ihre Freundinnen und Freunde an einer albernen Umfrage teilgenommen haben und die damit verbundene Aufmerksamkeit und Provokation genießen.

Kinder und Jugendliche haben meist ein bestimmtes Zielpublikum vor Augen, wenn sie etwas posten. Ihre Freundinnen und Freunde, Klassenkameradinnen und -kameraden oder auch die Familie. Für Personenkreise wie diese ist ihre Selbstdarstellung gemacht. Nur wenige denken daran, dass unter Umständen auch Menschen außerhalb dieses Zielpublikums auf ihr Profil gucken.

Das ist problematisch, keine Frage. Genauso problematisch ist es aber auch, wenn Erwachsene diesen Umstand nicht berücksichtigen. Wer glaubt, er könne sich aus der Selbstdarstellung eines Jugendlichen in seinem Facebook-Profil ein echtes Bild von diesem jungen Menschen machen, liegt einfach falsch. Diese Bilder, die entstehen, sind in höchstem Maße konstruiert, manchmal auch vollständig fingiert, und sie verändern sich oft in kürzester Zeit.

Es ist daher meiner Ansicht nach nicht nur wichtig, Kinder und Jugendliche auf die möglichen Folgen ihrer Selbstdarstellung im Netz hinzuweisen. Genauso wichtig oder vielleicht sogar noch wichtiger erscheint es mir, Erwachsene auf ihre Verantwortung hinzuweisen, Social-Media-Profile von jungen Menschen nicht unreflektiert für bare Münze zu nehmen, sondern sich den möglichen Kontext vor Augen zu führen.

Thomas Schmidt, Medien- und Kompetenzexperte entwickelt seit mehr als 15 Jahren mit der Agentur Helliwood Bildungsinitiativen und -programme im Themenfeld digitale Medien. Er vermittelt auf eine eigene Art die faszinierend einfache Botschaft, dass wir alle mit unseren ureigenen Stärken in der Lage sind, in einer voll digitalisierten Welt zu bestehen.

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