Der Befund klingt dramatisch: Schon heute können fast zwanzig Prozent der Viertklässler/-innen nicht richtig lesen. Der Förderbedarf ist immens. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob Programmieren als Schulfach überhaupt zielführend ist.
Sollten Kinder nicht lieber lernen, sich sprachlich gut auszudrücken, als mit Codezeilen Roboter zum Leben zu erwecken? Zum Bildungskanon gehört tatsächlich nur Ersteres. Und welche Schule kann es sich leisten, alle drei bis fünf Jahre in neue Computertechnik zu investieren, um einen gewissen Standard zu halten?
Kritische Stimmen meinen, die Schule sollte sich dem allgegenwärtigen Medienkonsum vollständig entziehen und ein Gegengewicht bilden. Fatalistische Beobachter/-innen sagen, dafür sei es ohnehin zu spät. Ihrer Meinung nach haben längst Unternehmen die Regie übernommen.
Der visionäre Idealist Seymour Papert betrachtet das Thema wieder von einer anderen Seite. Papert ist Entwickler der Programmierumgebung Logo. Er sagt:
„Meine einfache Idee ist, dass Programmieren das wirksamste Medium ist, um komplexes und gründliches Denken zu entwickeln, das für Mathematik, Physik, Grammatik und alle ‚schwierigen‘ Fächer gebraucht wird.“
Er geht davon aus, dass das Programmieren der Schlüssel für die intellektuelle Entwicklung von Kindern sein könnte. Sie lernen dabei Prinzipien kennen, die auch auf andere komplexe Sachverhalte übertragbar sind.
Wenn Papert richtig liegt, dann könnte Coding auch eine Sprache sein, die verbindet. Und zwar nicht nur Codezeilen mit Hard- und Software, sondern auch Menschen, die kulturell gesehen nicht dieselbe Sprache sprechen. Sie können über die Programmiersprache miteinander arbeiten und etwas gemeinsam entwickeln. Das Programmieren würde so zu einer Kulturtechnik, die Menschen verbindet.
Denkt man das weiter, bergen digitale Technologien und mit ihnen das Programmieren großes Potenzial für eine bessere Welt. Denn vieles, was wir jetzt schon an digitalen Fortschritten zu verzeichnen haben, macht unsere Welt besser.