In der Diskussion um das Programmieren an der Schule dürfen kritische Stimmen nicht ignoriert werden. Eine besonders reichweitenstarke kommt von Sascha Lobo, dem Digitalkolumnisten bei Spiegel Online.
Lobo ist Vordenker der Digitalisierung. Wenn es um die Auswirkungen von neuen Technologien auf gesellschaftliche Entwicklungen geht, hat Lobo die Hand am Puls der Zeit. Da verwundert es, dass er eindeutig ein Skeptiker beim Thema Schulfach Programmieren ist. Er schreibt im März 2017:
„Ein wenig überraschend vielleicht – aber ich glaube, dass Kinder nicht in der Schule programmieren lernen müssen. Wenn sie wollen, großartig, das deutsche Bildungssystem verträgt ohne Zweifel eine Reduktion des Prinzips Zwang.“ Sascha Lobo, 2017.
Aber, so Lobo weiter, der Ansatz von Bundeskanzlerin Angela Merkel, Programmieren zu den zukünftigen „Basisfähigkeiten von jungen Menschen“ zu erklären – neben Lesen, Schreiben und Rechnen – beruht auf einer Reihe von Fehleinschätzungen.
Lobo befürchtet, dass man sich bei der Konzentration aufs Programmieren zu sehr im Kleinen verliert und das große Ganze, nämlich die Gesellschaft im digitalen Wandel, dabei aus den Augen verliert. Die Kenntnis einer Programmiersprache bezeichnet er dabei als „Pars pro Toto für die Hoffnung, unsere Kinder mögen die gewaltige Gesellschaftsaufgabe Digitalisierung doch besser meistern als wir.“ Genau das halte er für falsch. Denn wenn man sich nur den kleinsten Bausteinen der Digitalisierung zuwendet, habe man keinen Blick mehr für die großen Zusammenhänge. „Es lässt sich grob mit dem Kenntnisunterschied zwischen einer Stadtplanerin und einem Maurer vergleichen, wenn man das Ziel hat, eine Stadt zu verstehen.“
Das zweite Argument gegen ein Schulfach Programmieren ist für ihn die Entwicklung der Technologie selbst. Schon heute gebe es Künstliche-Intelligenz-Software, die ihrerseits selbst Software entwickelt. Das deute darauf hin, dass sich das Programmieren sehr schnell und sehr massiv verändern wird. Selbst Google-Gründer Sergey Brin gibt zu, dass er die Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz (KI) nicht richtig abschätzen könne. Obwohl er das Unternehmen leitet, in dem man die KI bisher mit am besten verstanden hat. Vor dem Hintergrund dieser rasanten Veränderungen hält Sascha Lobo Projekte zum Grundverständnis von Programmen durchaus für sinnvoll. Aber auf eine Stufe mit dem Lesen, Schreiben und Rechnen sollte man diese Kenntnisse deswegen noch lange nicht stellen. Zumal die Uhren im deutschen Bildungssystem langsam gingen und man womöglich noch Jahrzehnte für einen Lehrplan brauche.
Das dritte Gegenargument ist für ihn denn auch das Bildungssystem. Aus heutiger Perspektive habe man sich schon so oft mit Prognosen und Einschätzungen geirrt, dass der Ruf nach einem neuen Schulfach ein weiterer großer Irrtum sein könnte. Immerhin meint Lobo zum Schluss, dass er selber ebenfalls nicht vor Irrtümern gefeit ist und es somit ein Irrtum sein könnte, das Schulfach Programmieren als Irrtum zu bezeichnen.