Exzessive Mediennutzung ist nicht gleich exzessive Mediennutzung

Durch Zufall stieß ich auf einen wissenschaftlichen Beitrag zum Thema „Exzessive Mediennutzung“ (PDF). Was ich an diesem Text besonders interessant fand, verrät der Untertitel: „Außen- und Innenansichten der digitalen Lebenswelt Jugendlicher“.

Mir geht es hier vor allem um die genannten Innenansichten. Denn meiner Erfahrung nach sind es diese Innenansichten, mit denen wir Eltern oder Lehrkräfte uns doch oft etwas schwertun. Wir gehen zumeist von unserer (Außen-)Sicht auf die Dinge aus und beurteilen auf dieser Grundlage die Mediennutzung unserer Kinder oder Schülerinnen und Schüler. Die Perspektive der Kinder und Jugendlichen einzunehmen, könnte dabei aber sicherlich aufschlussreiche Einsichten ermöglichen.

Ein immer wiederkehrendes Problem ist zum Beispiel die Frage nach den Nutzungszeiten, die Kinder und Jugendliche mit digitalen Medien verbringen. In vielen Familien ist der Streit um die Dauer der Mediennutzung permanenter Begleiter im Alltag und nervt alle Beteiligten in höchstem Maße. Die Fronten scheinen unversöhnlich. Die Erwachsenen sehen stets und ständig ein Zuviel – die Kinder und Jugendlichen wollen scheinbar nicht einsehen, wo hier überhaupt das Problem liegen soll.

Eine mögliche Erklärung dafür steht vielleicht in dem besagten Beitrag. Hierfür wurde nämlich gefragt, was Jugendliche selbst überhaupt unter exzessiver oder übertriebener Mediennutzung verstehen. Und – für mich zumindest – überraschenderweise geht es bei den Antworten gar nicht um die Nutzungszeit, sondern um ganz andere Kriterien.

Es ist dabei keinesfalls so, dass Jugendliche das Problem der exzessiven Mediennutzung nicht sehen würden. Ganz im Gegenteil, sie begreifen es selbst als Problem und setzen das auch in Beziehung zu sich selbst und ihrem eigenen Medienkonsum. Doch sie definieren das Zuviel an Mediennutzung anders. „Auffällig ist die besondere Sensibilität [der Jugendlichen] für das Gefühls- und Sozialleben des Übertreibers: Er ist allein, verspannt, desorientiert, gedankenlos und ignorant gegenüber anderen, steht unter Druck zu reagieren und fühlt sich unwohl“, schreiben die Autoren; und weiter: Der exzessive Mediennutzer „schafft es [nach Ansicht der Jugendlichen] nicht, sich aufs eigene Leben zu konzentrieren, Spaß mit der Familie zu haben und Zeit mit Freunden zu verbringen. Er ist nicht locker und frei, nimmt nicht den Alltag bewusst wahr, hat keine tiefgründigen Gedanken und erledigt nicht, was er sich vornimmt.“

Ich finde diese Beschreibungen überaus interessant. Denn sie bringt mich zum Nachdenken: Könnte es sein, dass die Erwachsenen und die Jugendlichen gerade beim Thema Mediennutzung/Nutzungszeiten einfach aneinander vorbeireden? Wir Erwachsenen reden über Minuten und Stunden – unsere Kinder über Gefühle, Freunde und tiefgründige Gedanken. Eigentlich ist es kein Wunder, dass wir uns ständig darüber streiten …

Thomas Schmidt, Medien- und Kompetenzexperte entwickelt seit mehr als 15 Jahren mit der Agentur Helliwood Bildungsinitiativen und -programme im Themenfeld digitale Medien. Er vermittelt auf eine eigene Art die faszinierend einfache Botschaft, dass wir alle mit unseren ureigenen Stärken in der Lage sind, in einer voll digitalisierten Welt zu bestehen.

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